u-helmich.de: Langzeitpotenzierung (LTP) (2025)

Unter Langzeitpotenzierung (LTP, von engl. long term potentiation) versteht man eine Form der synaptischen Plastizität, bei der sich die Übertragungsstärke einer Synapse langfristig erhöht, wenn diese Synapse immer wieder erregt wird. Langzeitpotenzierung steht also in unmittelbarem Zusammenhang mit Lernen und Langzeitgedächtnis.

Das Phänomen der Langzeitpotenzierung wurde an bestimmten Neuronen im Gehirn experimentell nachgewiesen. All diese Neuronen haben eines gemeinsam: Sie benutzen Glutamat als Neurotransmitter, und in der postsynatischen Membran sitzen bestimmte Glutamat-Rezeptoren, nämlich die AMPA-Rezeptoren und die NMDA-Rezeptoren.

Zunächst einmal stellen wir uns vor, dass in der postsynaptischen Membran beide Typen von Glutamat-Rezeptoren sitzen, sowohl die AMPA-Rezeptoren wie auch die NMDA-Rezeptoren. Beide Rezeptortypen sind direkt mit Ionenkanälen verbunden, so wie wir es auch von der motorischen Endplatte kennen.

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Allerdings sind die NDMA-Kanäle durch Magensium-Ionen verschlossen, wie die Zeichnung oben zeigt. Bei den Ionenkanälen der AMPA-Rezeptoren ist das nicht der Fall, hier können die Calcium-Ionen (und Natrium-Ionen) ungehindert einströmen, wenn die Kanäle durch Glutamat aktiviert werden:

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Auf diesem Bild sieht man, wie Natrium-Ionen durch die aktivierten AMPA-Kanäle in die postsynaptische Zelle einströmen. Die Membran wird dadurch polarisiert, was ich hier durch den leichten Farbverlauf angedeutet habe. Auch Calcium-Ionen können jetzt in die Zelle strömen, was man auf diesem Bild aber noch nicht erkennen kann.

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Mechanismus der Kurzzeitpotenzierung

Hier ist die Membran noch stärker depolarisiert. Durch die zunehmende positive Ladung der Membraninnenseite werden jetzt die Magnesium-Ionen abgestoßen, die bisher die NMDA-Kanäle blockiert haben. Jetzt können auch durch diese Kanäle Calcium- und Natrium-Ionen in die Zelle einströmen und die Depolarisierung dadurch verstärken. Die Calcium-Ionen tragen zwar auch zur Depolarisierung bei, haben aber eine viel wichtigere Rolle bei der Langzeitpotenzierung.

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Die Calcium-Ionen setzen sich an bestimmte Enzyme des Cytoplasmas der postsynaptischen Zelle, vor allem an Proteinkinasen. Proteinkinasen sind Enzyme, die ein ATP-Molekül in ADP und Phosphat spalten. Das Phosphat hängen sie dann an ein anderes Protein an und aktivieren dies dadurch. Vor allem die Proteinkinase C muss hier genannt werden.

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Hier sieht man zwei Phosphokinasen in Aktion. Die Phosphat-Ionen werden an die AMPA-Kanäle "angehängt", dadurch steigt deren Durchlässigkeit für Calcium- und Natrium-Ionen.

Der bisher beschriebene Mechanismus erklärt also ganz gut, wie es zu einer Kurzzeitpotenzierung kommen kann. Kurzzeitpotenzierungen sind Verstärkungen der synaptischen Übertragung für einige Sekunden bis wenige Minuten. Solche Kurzzeitpotenzierungen spielen höchstwahrscheinlich bei dem Kurzzeitgedächtnis eine wichtige Rolle.

Retrograde Botenstoffe

Die erhöhte Calcium-Ionen-Konzentration im Zellplasma aktiviert bei manchen Synapsen auch einen weiteren interessanten Signalweg. Die postsynaptische Zelle setzt sogenannte retrograde Botenstoffe frei, zum Beispiel Stickstoffmonoxid (NO). Das NO diffundiert dann ins Endknöpfchen der präsynaptischen Zelle und erhöht dort die Transmitterausschüttung. Auch so wird die Signalübertragung der Synapse kurzfristig gestärkt.

Bei der Kurzzeitpotenzierung an bestimmten Glutamat-Synapsen wird bei längerer Depolarisierung der postsynaptischen Membran (verursacht durch zeitliche oder räumliche Summation) die Natrium-Permeabilität bestimmter Ionenkanäle verstärkt, so dass die gleiche Neurotransmitter-Menge einen verstärkten Effekt zur Folge hat. Über einen retrograden Signalweg (NO) kann auch die Transmitterausschüttung erhöht werden.

Langzeitpotenzierung

Kommen wir nun zur Langzeitpotenzierung. Wie kann die Verbindungsstärke einer Synapse auf Dauer gesteigert werden? Schauen wir uns dazu das nächste Bild an:

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Die virtuelle Kamera geht jetzt mal etwas weiter zurück, so dass wir auch einen Teil des Zellkerns der postsynaptischen Zelle sehen können. In diesem Zellkern befindet sich die DNA mit den über 25.000 Genen, von denen ich aber nur eins eingezeichnet habe, nämlich ein Gen für den AMPA-Rezeptor/Kanal (es handelt sich ja um ein Protein mit zwei Bereichen, einem Rezeptor-Bereich und einem Kanal-Bereich).

Die Darstellung ist stark vereinfacht - schließlich ist ja nicht die Molekulargenetik der Schwerpunkt dieser Seite, sondern die Neurobiologie. Daher bitte ich um Nachsicht, wenn ich den Enhancer direkt in das Gen eingezeichnet habe und nicht weit entfernt davon an irgendeiner anderen Stelle des Genoms.

Achten Sie nun auf das hellgrüne Enzym in der Mitte des Bildes, das bisher noch keine Rolle gespielt hat. Die dicken braunen Kugeln können Sie noch ignorieren, es handelt sich um die großen und kleinen Ribosomen-Untereinheiten, die auch noch eine Rolle spielen werden.

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Dieses Enzym, das ebenfalls durch die eingedrungenen Calcium-Ionen aktiviert wird, stellt einen sekundären Botenstoff (second messenger) her, beispielsweise cAMP, cGMP oder Ähnliches. Da will ich mich jetzt nicht so genau festlegen, weil ich dazu noch keine näheren Informationen gefunden habe.

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Nun ist der second messenger in den Zellkern transportiert worden (auf die entsprechenden Transportproteine verzichten wir hier der Einfachheit wegen). Im Zellkern aktiviert der second messenger einen Transkriptionsfaktor. Transkriptionsfaktoren sind Moleküle (meistens Proteine), die sich an bestimmte regulatorische Bereiche der DNA setzen können. Bei Eukaryoten werden diese als enhancer oder silencer bezeichnet, jenachdem ob sie die Transkription eines Gens fördern oder hemmen.

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Hier sieht man, wie sich der aktivierte Transkriptionsfaktor an den für das Rezeptor/Kanal-Gen zuständigen enhancer gesetzt hat.

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Das Gen ist nun aktiviert worden, und die RNA-Polymerase führt die Transkription durch.

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An den Ribosomen werden nun neue AMPA-Rezeptoren/Kanäle hergestellt (Translation), die dann in die Zellmembran der postsynaptischen Zelle eingebaut werden.

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Hier sieht man, wie drei neue AMPA-Kanäle in die Membran eingebaut wurden.

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Hier schließlich das letzte Bild. Die neuen AMPA-Kanäle arbeiten; Calcium- und Natrium-Ionen diffundieren durch sie hindurch in die Zelle und die Depolarisierung wird - bei gleicher Transmittermenge - noch stärker. Die Signalübertragung funktioniert also noch effektiver als zuvor, und zwar langfristig, nicht nur für Sekunden oder wenige Minuten, sondern für viele Minuten, Stunden oder sogar vielleicht Tage.

Bei der Langzeitpotenzierung an Glutamat-Synapsen bewirken die einströmenden Calcium-Ionen über second messenger eine Aktivierung bestimmter Gene im Zellkern, so dass neue Rezeptoren bzw. Ionenkanäle in die postsynaptische Membran eingebaut werden können, was die Signalübertragung an der Synapse effektiver macht.

Es gibt inzwischen viele Befunde zu den molekularen Mechanismen der Langzeitpotenzierung. Nach dem Physiologie-Buch von Gekle u.a. (Thieme-Verlag 2010) aktiviert das Calcium eine membranständige Adenylatcyclase, die den cAMP-Spiegel in der Zelle erhöht. Das cAMP setzt sich dann an bestimmte Proteinkinasen, welche in den Zellkern diffundieren und dort Transkriptionsfaktoren aktivieren. Im Wesentlichen stimmt dieses Bild als mit den Vorstellungen überein, die ich hier auf dieser Seite erläutert habe.

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